Methode

Schreibfluss vor Formperfektion: Die kindliche Schreibentwicklung gibt die Methode vor

In meiner Praxis als Schulische Heilpädagogin stiess ich in allen Stufen regelmässig auf Kinder, für die Schreiben mit Druck, Blockaden und Stress verbunden war. Der Schreibfrust von motorisch schwächeren Kindern steht in starkem Kontrast zum ungebremsten Elan, den fast alle Kinder bei ihren ersten freien Versuchen auf Papier an den Tag legen. Dieser Kontrast stimmte mich gegenüber herkömmlichen Schreiblehrgängen zunehmend kritisch. Ich begann eine Methode zu entwickeln, die Züge der schreibmotorischen Entwicklung aufnimmt und die klassische Vorgehensweise umkehrt: Anstatt Formen und Buchstaben erst langsam und möglichst genau zu trainieren, setzte ich auf Schreibfluss vor Formperfektion. Und: Das Lehrmittel «Schreibfluss» kommt ohne das Kapitel der Rundwenden aus. Die Kinder finden auf eigenen Wegen zur verbundenen Schrift.

Die Grundformen

Das Lehrmittel zerlegt die Schrift in zehn einfache Grundformen. Jeder Grundform wird ein Klang zugeordnet. Durch ein regelmässig fortschreitendes Metrum wird der Schreibfluss von Anfang an begünstigt. Die Kinder erleben mit diesem Klangsystem Formen und Buchstaben nicht nur visuell, sondern auch akustisch. Diese zweite Sinnesdimension ermöglicht eine bewusstere Formwahrnehmung.

Sechs Regeln

Herkömmliche Lehrmittel versuchen, die richtigen Abläufe eines Buchstabens mit Pfeilen zu vermitteln. Ein Kind muss auf diese Weise über 40 unterschiedliche Abläufe lernen. Kontrollieren lässt sich die richtige Ausführung schlecht, was nicht selten zu ungünstigen Bewegungsabläufen verbunden mit Druck und allfälligen Schmerzen bei längerem Schreiben führt. «Schreibfluss» regt zum eigenständigen Denken und Forschen an. Um Fehlabläufe zu verhindern, leiten sechs Spielregeln die Lernenden auf ihrer Suche nach dem für sie geeignetsten Ablauf an.

Hohe Motivation durch Identifikation und Binnendifferenzierung

Die Kinder trainieren in A4-Blankoheften. Das führt dazu, dass sie sich in hohem Masse mit ihrer Arbeit identifizieren. Korrekturen der Lehrpersonen gehören hier nicht hin. Dafür dient ein eigenes Kriterienheft, das die Kinder anleitet, Formen, Buchstaben und Ziffern zu üben. Es fasziniert mich immer wieder aufs Neue, mit welcher Kreativität, Ausdauer und Trainingsintensität die Kinder üben.